Warum das Smartphone in den Unterricht gehört

„Marie, Handy abgeben! Du kannst es nach der 7. Stunde im Sekretariat abholen!“, eine Szene wie sie sicher dutzende Male am Tag in deutschen Schulen vorkommt. Und die Intention der Lehrkraft ist im Grunde auch verständlich: Marie soll sich auf den Unterricht konzentrieren um möglichst viel Informationen aufnehmen zu können und nicht durch ihr digitales Endgerät abgelenkt zu werden. Doch was auf den ersten Blick nach einer guten Idee klingt erweist sich auf den Zweiten nicht nur als sinnlos, sondern auf lange Sicht sogar als kontraproduktiv.

Marie wird sich die restliche Stunde sicherlich dennoch nicht auf den Unterricht konzentrieren können. Sie wird die Zeit stattdessen damit verbring sich Gedanken über das zu machen was sie gerade am Smartphone verpasst und ihre Lehrkraft hassen. Dennoch könnte es die Lehrkraft auf diese Weise aber immerhin schaffen, dass der Handygebrauch in ihrem Unterricht abnimmt. Doch verlassen wir einmal das Schulgebäude mit seiner künstlichen Lernumgebung. Wenn Marie daheim auf ihre nächste Arbeit lernt wird sie sicher das Handy auf dem Tisch neben sich liegen haben. Wenn Marie einmal in ihrer Ausbildung oder im Studium ist wird ebenfalls mit Sicherheit ihr Handy neben ihr auf dem Tisch liegen. Und auch wenn Marie einmal ihre Steuererklärung ausfüllt wird ihr Handy auf dem Tisch neben ihr liegen. Die Situation, die ihre Lehrkraft gerade in der Schule geschaffen hat ist durch und durch künstlich. Das Leben von Marie läuft nicht ohne ihr Smartphone ab und der Raum der gerade geschaffen wurde kann ihr bestenfalls helfen das aktuelle Thema des Unterrichts in Form eines Nürnberger Trichters bis zur nächsten Arbeit zu speichern. Doch das eigentliche Ziel der Schule wird komplett verfehlt: Unsere Schüler auf die Welt „da draußen“ vorzubereiten, ihnen Kompetenzen zu vermitteln und sie auf das vorbereiten was nach der Schule kommt.

Ich möchte damit keinesfalls vorschlagen alle unsere Schüler während unseres Unterrichts auf TikTok und co. Surfen zu lassen. Natürlich muss thematisiert werden wie man sich am besten auf den Unterricht konzentrieren kann. Und natürlich ist das mit Arbeit, harten Diskussionen und sicher auch dem ein oder anderen unangenehmen Moment für die Lehrkraft verbunden. Doch es ist wichtig. Es ist wichtig, dass unsere Schüler ihr Smartphone nicht nur als Entertainmentmaschine kennen lernen, die sie vor dem langweiligen Matheunterricht befreit. Es ist wichtig zu realisieren, dass das Smartphone unheimlich wertvoll sein kann um ein Tafelbild oder die Ergebnisse einer Gruppenarbeit zu fotografieren. Es ist wichtig zu realisieren, dass damit nach dem unbekannten Begriff gegoogelt, das fremde englische Wort übersetzt und mathematische Probleme gelöst werden können. Und es ist wichtig, dass die Schüler lernen verantwortungsbewusst damit umzugehen. Von wem sollen sie denn lernen, dass das Handy zumindest auf der Displayseite liegen sollte, damit nicht jede WhattsApp-Nachricht sie ablenkt? Von wem sollen sie lernen, wie wir das Handy sinnvoll einsetzen? Ja, im Optimalfall von den Eltern. Doch auch wir sind dafür verantwortlich und uns muss bewusst sein, dass vielleicht die Eltern selbst noch gar nicht in der digitalen Welt angekommen sind. Ihnen nicht bewusst ist, welches Potential – von allem negativem bis zu allem positiven – in diesem kleinen digitalen Endgerät steckt.

Daher ist mein Apell: Lasst das Smartphone seinen Weg in euren Unterricht finden. Ja, Marie wird hin und wieder abgelenkt sein, weil Lisa ihr gerade ein lustiges Meme geschickt hat. Aber Marie wird auch lernen, wie sie ihr Smartphone sinnvoll nutzt. Marie wird lernen, wie sie sich trotz des Handys vor ihr auf den Unterricht konzentrieren kann. Und sie wird diese Kompetenz mit sich aus der Schule heraus nehmen. Verbannen wir das Handy aus der Schule, so machen wir diese zu einer vollständig künstlichen Lernumgebung, die ihren Bezug zur Realität verliert. Und zum Abschluss ein kleiner Fun-Fact: Während ich diese Zeilen schreibe liegt auch mein Handy nur wenige Zentimeter von meiner Hand entfernt…

About Me

„Der Mensch hat vergessen wie wichtig es ist zu Lernen. Es wird als eine Belastung, eine Pflicht im Jugendalter gesehen. Doch niemals sollten wir damit aufhören. Niemals.“